Liegt Angst in unserer DNA? Ist Angst vererbbar? Wird Angst anerzogen oder erlernt?

Diese Fragen wurden mir in letzter Zeit häufiger gestellt. Seit dem Start der Corona-Pandemie hat die Angst massiv zugenommen und immer mehr Menschen beschäftigen sich mit sich selbst – und mit ihren Ängsten. Aufgrund der vermehrten Lockdowns, zumindest in Österreich, war nun auch mehr Zeit, um genauer hinzusehen, zu reflektieren, sich Fragen zu stellen und (evtl. verdrängte) Sorgen, Ängste und Zweifel zu erkennen.


Liegt Angst in unseren Genen?

Manche waren schon immer ängstlicher als andere. Es gibt Kinder, die strotzen seit ihrer Geburt vor Selbstbewusstsein, anderer waren schon immer zaghaft und zurückhaltend. Manche Kinder sind sehr selbstkritisch und haben viel geweint, wenn sie Fehler gemacht haben, andere sind damit sehr locker umgegangen.

Dass der Legoturm nie lange gestanden hat, hat den Tag des Kindes nicht weiter beeinflusst. Es war egal, dass das Matchbox-Auto nicht den gewünschten Looping geschafft hat. Es gibt Kinder, die weinen, wenn sie in den Dreck fallen und ihre Kleidung beschmutzt wird, andere lieben es, sich so richtig im Schlamm zu wälzen und dabei die neue Hose zu ruinieren.

Ein Teil unseres Charakters ist veranlagt. Sowie du deine Augenfarbe nicht ändern kannst, kannst du nicht beeinflussen, wie gefühlvoll, sensibel, selbstbewusst, mutig oder intelligent du (von Grund auf) sein möchtest. Ein Teil deiner Ängstlichkeit bzw. Risikoaversität ist also vererbt.

Der Charakter liegt zu 50 % in den Genen.

– behaupten viele Wissenschaftler, z.B. wie Stiehle in seinem Artikel „Macht der Gene“ (Uni.de).

Impulsivität, Neugierde, Risikobereitschaft, Gefühlsintensität sowie sogar Großzügigkeit sollen nachweislich vererbbar sein. Auf jeden Fall gibt es keine „Mischung“ wie dich. Auch anhand von Geschwisterpärchen erkennt man gut, wie spannend das Ergebnis einer neuen Genpool-Mischung ist. Äußerlich aber auch vor allem charakterlich sind die entstandenen Lebewesen einzigartig und unverwechselbar.


Wird Angst erlernt?

Der zweite, laut Studien etwas wichtigerer, größere Teil, ist das Umfeld. Das Verhalten der Eltern und der Freunde in der frühen Kindheit und während des Aufwachsen prägt. Je nachdem, was dir vorgelebt wurde, wovor du Angst haben musst, hast du beobachtet und dementsprechend abgespeichert. Ängste können auch dadurch noch viele Generationen weitergegeben werden. Also ja – Angst ist vererbbar.

Ängste werden oft von Generation zu Generation weitergegeben.

Wenn dein Vater oder Mutter Angst hat, zu vertrauen, weil er/sie betrogen werden könnte, wirst du nicht nur sehr wahrscheinlich dasselbe Gedankengut (Glaubenssätze wie: „Menschen sind unehrlich. Menschen sind egoistisch. Menschen sind nur nett, wenn sie etwas brauchen“) übernehmen, sondern auch das Verhalten (Misstrauen, Alleinesein, keine Hilfe annehmen, sich nicht öffnen, andere auf Distanz halten etc.). Auch hinter diesem Verhalten steckt eine Angst – die Angst, (wieder) verletzt zu werden.

Die Angst fördert bzw. verstärkt den Schutzmechanismus. Wenn diese Angst in dir ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass du diese auch deinen Kindern weitergeben wirst, alleine, weil sie dein Verhalten beobachten werden und alle deine Worte für richtig und wahr halten (zumindest bis zur Pubertät).  Also ja – Angst wird erlernt.

Angst schützt vor Schmerz.

Nur muss diese Angst, die dir möglicherweise fälschlicherweise als gefährlich eingetrichtert worden ist, nicht berechtigt sein und heute keine Bedeutung mehr für dich haben. Hier können bestimmte Fragen helfen, um zu erkennen, ob du Ängste von deinen Familie oder Freunden (un)bewusst übernommen hast:

  • Was empfinden meine Eltern als gefährlich?
  • Wovor sollte ich als Kind Angst haben?
  • Wovor haben Freunde oder Kollegen Angst?
  • Welche Geschichten habe ich erzählt bekommen, bei denen Angst ein Thema war?

Alles Erlernte kann auch verlernt werden

Wie ängstlich du bist, bestimmt zum Teil dein Erbgut. Die geschätzten 50 % sind ein hoher Anteil, den dir deine Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Einerseits hast du einige Merkmale und Verhalten in dir, die du schwer verändern oder ablegen kannst, aber genauso viel hast du selbst in der Hand zu steuern und zu verändern – wenn du dies möchtest.

Du bist einzigartig!

Sowie manche nichts lieber als eine kalte Kugel Eis im Sommer verspeisen, gibt es auch nicht wenige Menschen, die Eiscreme überhaupt nicht mögen. Einige Männer haben volles Haar und ergrauen erst im hohem Alter, bei anderen starten die Geheimratsecken schon zum 18. Lebensjahr. Menschen sind so individuell, was ihre Charaktereigenschaften und Vorlieben angeht. Niemand hat dieselben Erfahrungen im Leben gemacht. In Kombination mit einem einzigartigen Genmix formt sich daraus ein besonderes Wesen, das keine Technologie bis jetzt nachahmen konnte, so komplex und einzigartig sind Menschen.

Wo und wer du in 10 Jahren bist, magst du jetzt noch nicht zu erahnen.

Du kannst Ängste erlernen und Angst auch wieder verlernen. Angst ist zum Teil vererbbar, muss aber nicht Teil deines weiteren Lebens sein. Du kannst lernen, wachsen und dich verändern. Vielleicht mochtest du als Kind keine Rosinen und liebst diese jetzt. Möglicherweise hat die das Lesen früher keine Freude bereitet, heute aber sehr. Du bist nicht mehr die Person, die du früher warst. In 10 Jahren wirst du auch nicht mehr die Person sein, die du heute bist – du wirst stärker, weiser, gelassener und zufriedener.


Deine Vergangenheit bestimmt nicht deine Zukunft

Die Frage ist also nicht, bin ich in 10 Jahren noch dieselbe Person, sondern:

  • Wer möchte ich sein?
  • Wo möchte ich hin?
  • Was braucht es dafür?

Dass du dich weiterentwickeln wirst, ist keine Frage. Du wirst weitere Erfahrungen machen, Neues lernen, neue Herausforderungen gestellt bekommen, Menschen dazugewinnen und Menschen (leider) auch wieder verlieren. Das Leben ist Wachstum. Das Leben ist Wandel. Zu leben bedeutet Veränderung.

Du bist nicht machtlos deinen Genen ausgeliefert. Du hast Macht.

Triff heute eine Entscheidung und verändere den Rest deines Lebens.

Du bist ein wertvolles Kunstwerk, das sich immer weiter mit zarten und bunten Pinselstrichen füllt. Die Umrisse sind schon erkennbar, jedoch gibt es noch weiße Stellen, die gefüllt werden wollen. Außerdem gibt es ein paar noch zu übermalende Stellen, die noch etwas Feinschliff nötig haben. Am Ende wirst du da stehen, einzigartig, atemberaubend, vom Leben gezeichnet – ganz du und dein persönliches Meisterwerk. Unbezahlbar, geheimnisvoll und voller Geschichten und Träume.

Du bist ein Kunstwerk <3

Blogbeitrag: Gefühle meistern

Blogbeitrag: Verhalten macht die Gedanken sichtbar


Kurzfassung: Wird Angst erlernt oder vererbt?

Liegt Angst in unserer DNA? – Ja, zum Teil.

Ist Angst vererbbar? – Ja, Angst kann von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Wird Angst anerzogen oder erlernt? – Ja, durch Beobachtung der Eltern und durch Erzählungen.

Können sich meine Wesenszüge verändern? – Ja, das geht!

Kann man Angst wieder verlernen? – Ja, aber hallo!


Weiterführende Literatur:

ORF Science: Versuch mit Mäusen ,  N-TV: Angst ist vererbbar  ,  FOCUS: Angst wird vererbt