Wieso bewerten wir derartig schnell Situationen als gefährlich? Wieso verfallen wir bei manchen Reizen in derartig starke Emotionen? Warum können wir unser Verhalten so schwer ändern?
Der Grund sind Erfahrungen. Gelernte Bewertungsprozesse, die unser Leben erleichtern sollen, laufen automatisch ab. Wenn du dir nicht durch eine Erfahrung gemerkt hättest, dass die Herdplatte heiß ist, wenn sie rot aufleuchtet, würden wir uns immer wieder verbrennen. Das möchte die Natur nicht. Wir sollen aus Erfahrungen lernen und uns dadurch schützen.
Jeder hat gewisse automatisierte Denkprogramme im Laufe seines Lebens angelegt. Zum Beispiel kann es sein, dass du bei Liebe zuerst an Schmerz denkst, dass du bei Kaffee sofort an Milchschaum denkst, dass du bei Sport sofort an Anstrengung denkst. Je nachdem wie stark deine Erinnerung zu den gemachten Erfahrungen ist, umso schneller kommen die Gedanken hoch. Umso emotionaler negative Erfahrungen waren, umso weniger leicht können wir in den ablaufenden Denkprozess eingreifen.
Gedanken lösen Gefühle aus, Gefühle lösen Verhalten aus.
Hast du einen Angstgedanken, löst dieser automatisch die passenden Gefühle dazu aus. Diese Gefühle veranlassen deinen Körper zu reagieren und steuern dein Verhalten.
Das beste Beispiel dafür ist das gefürchtete Halten einer Präsentation. Deine Gedanken sind: „Ich kann das nicht“, „Ich werde mich blamieren“. Du stellst dir in Gedanken schon die noch nicht eingetretenen Konsequenzen vor. Deine Gefühle sind: Unsicherheit, Scham, Angst. Dein Körper reagiert mit Schwindel, starkem Herzklopfen und einem Gefühl der Enge in der Brust. Dein Verhalten dazu kann Resignation sein: „Das mache ich nicht. Jemand anderes soll diese Präsentation halten“. Ein anderes mögliches Verhalten ist Kampf: „Das wird schwer werden. Ich versuche es und gebe meine Bestes“.
Umso stärker deine negativen Gedanken (und Vorstellungen) sind, desto stärker werden deine negativen Gefühle sein, und umso stärker fällt die Reaktion deines Körpers aus. Jegliches Verhalten ist für uns und andere logisch, denn diese ist die Konsequenz unserer Gedanken und Gefühle.
Automatisierte Gedanken erlernen wir vor dem 10. Lebensjahr
Sehr viele automatisierte Denkprogramme, sogenannte Glaubenssätze, erlangen wir vor dem 10. Lebensjahr aufgrund unserer Erfahrung. Hier einige Beispiele von Klienten:
„Meine Arbeit ist nichts wert“
D. arbeitet seit einigen Jahren selbstständig als Webdesigner. Er hat Probleme, die Preise zu verlangen, die er möchte und seine Arbeit an den Mann zu bringen. Der Auslöser, um Hilfe in Anspruch zu nehmen war, dass er für seinen Bruder ein Logo für die Firma designen wollte und im Gegenzug er seine Terrasse gefliest bekommen würde. Der Vater sagte zu ihm: „Dein Bruder will dir die Terrasse fliesen und macht richtig harte Arbeit. Du möchtest nur am Computer sitzen und ein Logo für ihn designen. Das ist doch keine Arbeit, das kann man nicht vergleichen“. D. hat jahrelang gehört bekommen: „Das ist brotlose Arbeit. Mach doch was richtiges, wo du auch Geld verdienen kannst“. Deshalb hat D. heute noch Probleme damit, angemessene Preise zu verlangen und verschenkt seine Arbeitsleistung.
„Ich darf meine Wünsche nicht äußern“
A. tut sich schwer, zu sagen, was sie möchte. Sie kann nur schwer ihre Meinung und Wünsche äußern oder auch etwas fordern. Der Gedanke „Ich darf meine Wünsche nicht äußern“ führte uns in die Kindheit. Sie erzählte davon, dass sie ihre Mutter um Geld für einen Schulausflug fragte. „Du weißt doch, dass wir keine Geld haben. Jetzt muss ich mich um deine Probleme auch noch kümmern“. A. hat in frühen Jahren gelernt, dass ihre Wünsche nicht gehört werden, dass sie „Probleme“ macht, wenn sie sich äußert. Dieser Gedanke veranlasst A. heute noch, sich zurückzunehmen und den Mund zu halten.
„Ich vertraue nicht. Mein Vertrauen muss man sich hart erarbeiten“
R. hat keine Beziehung, die länger als ein paar Jahre gehalten hat. Weder freundschaftliche, noch partnerschaftliche Bindungen haben über längere Zeit Bestand. „Ich vertraue nur sehr schwer. Sobald ich das Gefühl habe, etwas passt nicht, ziehe ich mich zurück und breche den Kontakt ab“ Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie als Baby nach kurzer Zeit wieder zurück ins Krankenhaus musste. Sie war von Mama und Papa getrennt. Seit sie sich zurückerinnern kann, hat sie Angst verlassen zu werden, wie es damals als Kleinkind war. Dieser Gedanke veranlasst R. auch heute noch, sich zurückzuziehen und Menschen auf Abstand zu halten.
Die Lösung
Wenn dir die negativen Gedanken bewusst werden, die zu einem nicht wünschenswerten Verhalten oder körperlichen Reaktion führen, stelle dir folgende Frage:
Ist dieser Gedanke zu 100 % wahr?
Warum ist er nicht wahr?
Du wirst feststellen, dass in den meisten Fällen dies eine Übertreibung oder Verallgemeinerung ist und in deinem jetztigen Leben weder hilfreich noch wahr ist. Finde danach Gründe, warum dieser Gedanke oder Vorstellung nicht wahr ist, somit lieferst du dir selbst die Begründung, welche dir hilft, diesen nicht weiterhin zu glauben.
Gewohnheiten mit diesen 3 Schritten ändern
Quellen:
Hautzinger, Martin. (1998). Depressionen. Hogrefe Verlag: Göttingen
Martin Hartmann: Gefühle. Wie die Wissenschaften sie erklären. Campus, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-593-37718-6; 2., aktualisierte Auflage 2010, ISBN 978-3-593-39285-1
Wilhelm Arnold u. a. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie. Bechtermünz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-508-8, Spalte 684–691
[…] eine noch größere Angst vor ihm verspüren als umgekehrt. Ein Blick auf die dahinterliegenden Gedanken, die das Gefühl der Angst auslösen, kann helfen. Was ist die Situation? Wie verhalte ich mich? Wie fühle ich […]