„Du hast bestimmt eine Schwester“,
sagte ich überzeugt mit einem Gewinnerlächeln auf den Lippen. „Woher weißt du das?“, fragte mein Gegenüber und runzelte die Stirn.
Das Aufwachsen mit oder ohne Geschwister prägt einen maßgeblich. Denn meist sind es 18 Jahre, in denen du eine bestimmte Rolle einnimmst, ob Nesthäkchen, Ältester, Sandwichkind oder Einzelkind. Mittlerweile traue ich mir in den meisten Fällen zu, nach 5 Minuten zu sagen, ob mein Gesprächspartner eine Schwester oder einen Bruder hat, und ob diese Person zuerst oder zuletzt geboren wurde.
Kommen wir zum Anfang meiner Geschichte zurück. Warum ich das wusste, war klar. Mein Gegenüber konnte zuhören, sehr gut reflektieren und über Gefühle sprechen. Außerdem hatte er einen starken Beschützerinstinkt – dies ist klassisch, wenn jemand mit einer jüngeren Schwester aufwächst.
Erst heute war ich mit einem Verkäufer der OÖ Nachrichten zu Tisch. Er erzählte mir, er hat Brüder. Ich sagte ihm, dass ich in Gesprächen sehr rasch herausfinde, wie er aufgewachsen ist und in welcher Reihenfolge er geboren worden war. Mit bestimmter Stimme forderte er mich auf zu raten, wann er geboren wurde. Ich überlegte kurz. Er ist im Verkauf, also ein Anführer, ordentlich gekleidet, sehr bestimmt, verantwortungsbewusst und seine herausfordernde Frage zeigte seine Dominanz.
„Erstgeborener“, sagte ich. Ich hatte Recht.
Erstgeborene, Sandwich-kind, Nachzügler oder Einzelkind
Erstgeborene sind ein „Einzelkind light“, das bedeutet, dass sie sehr viel Aufmerksamkeit bekamen, diese jedoch verloren haben und dadurch sehr selbstständig wurden. Sie mussten sich alles erkämpfen: Wie lange darf ich aufbleiben? Wie lange darf ich ausgehen? Und so weiter. Sie mussten sich beweisen und galten später als Oberhaupt, Befehlshaber und Anführer. Da die Geschwister zu ihnen aufsehen, wurden sie im Alter vernünftiger und fürsorglich, durch die nicht abzuweisende Verantwortung.
Im Gegensatz dazu ist das jüngste Kind oft ein Entertainer, Charmeur und Witzbold. Das jüngste Kind bekommt die meiste Aufmerksamkeit, ist gewohnt immer im Mittelpunkt zu stehen („Oh, der kleine ist ja süß“) und möchte diese später nicht aufgeben. Der Nachzügler entwickelt deshalb Strategien, wie er die Aufmerksamkeit weiter auf sich lenken kann, um sich im Rampenlicht zu suhlen. Dies zeigt sich in der späteren Risikobereitschaft, den oft unüberlegten Handlungen und das Folgen von eigenen Intuitionen. Denn wenn etwas schief ging, war oft der Bruder oder die Eltern da, um ihn zu retten und alles gerade zu biegen. Meist sind dies mehr Bauch- als Kopfmenschen. Die Jüngsten stechen auch durch ihre mangelnde Kompromissbereitschaft hervor und bevorzugen den Weg mit dem Kopf durch die Wand.
Nun zum Sandwich-Kind. Der Mittlere stand nie wirklich im Mittelpunkt, was oft an seinem Selbstwertgefühl kratzte. Meist ist dieser eher zurückhaltender, ruhiger und nachdenklicher. Da die Aufmerksamkeit auf den anderen war, konnte dieser sich freier entfalten. Das Sandwich-Kind musste oft Kompromisse eingehen (z.B. die alte Kleidung der Geschwister tragen) und macht ihn deshalb auch später zu einem angenehmen, unkomplizierten Zeitgenossen, da er früh lernen konnte, sich den Gegebenheiten anzupassen. Um die mangelnde Aufmerksamkeit auszugleichen, haben sie meist einen großen Freundeskreis und zeigen sich offen und kontaktfreudig.
Was ist nun mit Einzelkinder? Nun, ich bin ein Einzelkind. Das Vorurteil, Einzelkinder seien verzogen kann ich nicht bestätigen. Was aber aus zahlreichen Studien hervorgeht ist, dass Personen, die ohne Geschwister aufwachsen, sehr schnell selbstständig werden. Sie mussten lernen, vieles alleine zu bewältigen, hatten viel Zeit nachzudenken, mussten oft alleine spielen und konnten sich so dadurch sehr gut selbst kennenlernen. Da sie weniger oft Kompromisse machen mussten, zeigen sich egoistische Tendenzen. Viele Einzelkinder sind Perfektionisten. Ich wurde von meinen Eltern immer sehr gut behütet und ich weiß gar nicht, wie oft meine Eltern sagten: “Sei vorsichtig“, „Pass auf“, „Nein, das ist zu gefährlich“. Als einziges Kind stehst du im Fokus der Eltern und bist deren Augenstern, dem darf natürlich nichts passieren darf! Dadurch entscheiden Einzelkinder sehr bedacht, sind pflichtbewusst und eher vorsichtig. Was einige überraschen wird ist, dass Einzelkinder sehr gerne teilen, denn sie mussten das nicht immer. Für sie ist zu teilen eine Ausnahmesituation. Jedoch fällt es ihnen schwer, dies länger zu machen, wie zum Beispiel in einer Beziehung. Wer ist in eurem Umfeld ein Einzelkind? Ist dieses hilfsbereit und fürsorglich? Nun, ihr wisst jetzt warum.
Scheidung vorbeugen mit der richtigen Kinderanzahl
Die internationale Geschwisterforschung hat die scheidungsresistenteste Familienkonstellation, also eine solche, die die Eltern am wenigsten stresst und für die Kinder die wenigsten Konflikte mit sich bringt, herausgefunden. Wenn sie eine glückliche, lange Ehe führen möchten, bekommt ein Mädchen und einen Jungen. Der Junge als Erstgeborener und das Mädchen im mittleren Abstand von zwei bis vier Jahren als Zweitgeborene, sagt das Institut. Dabei geht es vorrangig um Harmonie, um wenig Rivalität und Konkurrenzdenken unter den Geschwistern. Natürlich sind das Ergebnisse einer Studie, die eine Tendenz und Häufigkeit zeigen, jedoch sollte man dies nicht zu ernst nehmen. Scheidungsgründe sind (und sollten) nicht ausschließlich die Kinder sein. Jedoch ist für mich das Ergebnis der Studie logisch und zumindest wertvoll genug, um es mit euch zu teilen.
Geschwister vs. Angstentstehung
Warum ist das für die Angst- und Stressbewältigung wichtig? Nun, Angst zu haben und Stress zu empfinden entsteht oft durch Zweifel an den eigenen Fähigkeiten. Ausreichend Selbstvertrauen und eine korrekte Selbsteinschätzung sind wichtig, denn dadurch glauben wir Bedrohungen bewältigen zu können. Wie der Umgang mit herausfordernden Situationen und vorgestellten oder realen Bedrohungen vorgelebt und erlebt wurde, ist wichtig, um die Entstehung der eigenen Ängste zu verstehen. Wenn wir dies nun verstehen können, sind wir in der Lage dies zu ändern.
Letztendlich muss gesagt werden, dass es viele andere wichtige Einflussfaktoren auf die Persönlichkeit gibt. Das Erbgut, das Verhalten der Eltern, die gelebten Werte, die Erziehung, die Freunde, Schulkollegen und die gesammelten Erfahrungen im Laufe des Lebens. Außerdem werden wir alle erwachsener, reifer und ruhiger im Alter. Und Menschen können sich ändern! Niemand ist gefangen in seinem Denken und Handeln, das liegt an uns. Das heißt, auch Kindheitserfahrungen und damit einhergehende Glaubenssätze können geändert werden.
Deine Sabrina
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